Purpose. Von wegen nur ein „Buzzword“.

Purpose! Ein Trendthema, das mehr und mehr mediale Aufmerksamkeit erfährt und seinen Einzug in die Welt des Business und des Managements geschafft hat, nachdem es zuvor eher ausschließlich im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung und für manche vielleicht sogar eher im Bereich der „Esoterik“ zu Hause war. Das englische Wort Purpose steht im Deutschen für Zweck, Bestimmung oder auch Sinn.

Im Grunde ist die Suche nach dem Sinn wohl so alt wie die Menschheit selbst. Purpose ist nun aber schon seit ein paar Jahren in aller Munde, nicht erst seitdem sich einige Menschen aufgrund der Corona Krise auf Sinnsuche begeben haben. Würde es eine Business Buzzword Hitlist geben, würde Purpose dort gerade so steil ansteigen wie der Bitcoin-Kurs. Fehlt eigentlich nur noch, dass Elon Musk seinen Messenger Status auf „Hashtag Purpose“ setzt. Apropos Elon Musk. Wusstest Du, dass sich der Purpose von Tesla sich nicht primär um Elektroautos dreht. Nein, der offizielle Purpose von Tesla lautet „wir treiben den Übergang zur nachhaltigen Energie voran“. Aber eins nach dem anderen.  

Was hat es mit Purpose nun tatsächlich auf sich?
Was bringt es Dir persönlich?
Und was sind die Vorteile eines Purpose auf Unternehmensebene?

Managementtheoretiker, Berater und Coaches sprechen inzwischen nicht mehr nur viel von Leitbild, Vision, Mission oder Strategie. Nein, der Purpose kommt jetzt auch noch dazu und verspricht Privatpersonen, Führungskräften, Mitarbeitern, ja ganzen Unternehmen eine tiefere Erfüllung als einfach nur Geld zu verdienen, Produkte zu verkaufen oder den Kunden zufrieden zu stellen. Wobei, so viel sei angemerkt, wenn man sich die Bedürfnispyramide von Abraham Maslow in Erinnerung ruft: Sich dem Purpose-Thema zu widmen, hat sicher auch etwas mit Selbstverwirklichung zu tun. Ohne erfüllte Sicherheitsbedürfnisse beziehungsweise betriebswirtschaftlichen Erfolg würde sich in der Realität auch die Purpose Frage ein Stück weit erledigen.

Dabei ist es den meisten Führungskräften, die ich die letzten Jahre in meiner Arbeit kennengelernt habe, oft schon schwer genug gefallen, Begriffe wie Vision und Mission nicht in einen Topf zu schmeißen, sondern beides zu unterscheiden oder damit überhaupt etwas anfangen zu können. Geschweige denn, dass die Bedeutung und Definition des eindrucksvollsten aller Management-Wörter, nämlich „Strategie“, in Führungskräfte-Workshops oft einen Konsens gefunden hätte.  

Man könnte es mit dem Begriff Purpose auch ähnlich wie mit dem Begriff Vision halten. Schließlich hat der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt es mit Visionen eher süffisant bis kritisch gehalten. Von ihm stammt nämlich der häufig zitierte Spruch: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen".

Gut, von ihm stammt auch ein Zitat wie: "Willen braucht man. Und Zigaretten", aber sei es drum. Jedenfalls kommt auch der Purpose nicht gut weg, wenn man ihn ausschließlich mit dem deutschen Wort „Sinn“ übersetzen würde. Der Philosoph Friedrich Nietzsche und der Psychoanalytiker Sigmund Freud haben beide „allein“ die Frage nach dem Sinn mit einem – Achtung: „Ausdruck körperlicher und geistiger Schwäche bezeichnet“.

Könnte man Purpose also etwa getrost als Hype abtun, in die Esoterikschublade packen oder sich höchstens erst dann darum kümmern, wenn man gerade nichts Besseres zu tun hat? Meine Empfehlung: Lass uns mal genauer hinschauen und herausfinden, ob etwas für Dich drin wäre, wenn Du Dich mit Deinem persönlichen Purpose oder mit dem Purpose für Dein Unternehmen beschäftigst. Denn da sind wir schon bei einem wichtigen Merkmal der momentanen Purpose Debatte:

Nicht nur einzelne Personen begeben sich auf die Suche nach ihrem Purpose, sondern selbst schwergewichtige DAX Unternehmen und andere Organisationen beschäftigen sich damit. Schon mal vorab: Wenn Du angestellt bist, spielt die gefühlte Schnittmenge, zwischen Deiner eigenen Bestimmung und dem formulierten und gelebten Purpose Deines Arbeitgebers eine große Rolle. Sofern das Unternehmen, für das Du arbeitest, bereits einen Purpose entwickelt hat. Je größer die Schnittmenge, desto mehr dürftest Du Dich mit Deinem Arbeitgeber identifizieren können.

Bevor wir aber über so etwas wie Vorteile und Nutzen des Ganzen sprechen, ist es wichtig zu wissen, was unter Purpose verstanden wird. Eine allgemeingültige und einheitliche Definition existiert zwar nicht, aber zwei Autoren haben es versucht.

Was wird unter Purpose verstanden?

  • Nick Craig, Gründer des Core Leadership Institutes und Autor des Buches Leading from Purpose beschreibt Purpose als “the unique gift that you bring to the world”. Für ihn ist es Bestimmung und persönliche Marke, die zeigt was Du erreichen möchtest und was Dich besonders macht.  Die Suche nach dem Purpose ist für Craig das Aufspüren der großen Themen, die einen schon immer begeistert oder Dich nachhaltig geprägt haben. Daraus wird eine kurze, präzise Beschreibung formuliert, die Dich persönlich anspricht, motiviert und in Bewegung hält Deinen Purpose auch zu erfüllen. Dabei geht es nicht darum was Du tust, sondern es geht darum, wie und warum Du etwas tust, also auch um Deine Stärken und Leidenschaften.

  • John Strelecky, amerikanischer Spiegel Bestseller Autor der Bücher, „das Cafe am Rande der Welt“ oder auch von „The Big Five for Live – was wirklich im Leben zählt“ spricht vom sogenannten „Purpose of Existence“. Für ihn ist es der ureigene Sinn und Zweck, der verbunden mit den persönlichen Lebenszielen, den „Big Five for Life“ den Grundstein für Deinen individuellen Weg und persönlichen Erfolg legt. Und zwar für Erfolg nach Deiner eigenen Definition von Erfolg.

Was bringt Dir Dein persönlicher Purpose nun konkret?

Beruflich wie privat dient er als eine Art Absprungbrett, um

  • Entscheidungen zu treffen

  • persönliche Ziele zu definieren

  • in anspruchsvollen Situationen und – in Zeiten wie gerade aktuell während der Pandemie - Orientierung zu haben

  • zu wissen, was Du möchtest, worauf Du Dich nachhaltig einlässt und womit Du etwas für andere bewegen und beitragen kannst.

Brauchst Du aber nun unbedingt einen Purpose, um leichter oder besser Entscheidungen treffen zu können? Ich denke schon. Denn Dein Purpose oder Deine dahinter liegenden Werte sind ohnehin vorhanden und beeinflussen Dich zumindest im Hintergrund. Die Frage ist also lediglich, ob Du über einen bewussten oder einen unbewussten Purpose verfügst. Wenn Du manchmal schwankst oder zögerst kann das damit zu tun haben, dass Du Dir Deinen Purpose nicht explizit bewusst machen kannst. Nick Craig und sein Kollege Scott Snook von der Havard Business School haben herausgefunden, dass nicht einmal 20% der Führungskräfte eine klare Vorstellung von ihrer persönlichen Bestimmung haben. Eine der wichtigsten Hauptaufgaben von Führungskräften ist es, anderen Orientierung zu geben ist. Wenn eine Führungskraft nicht für sich selbst eine klare Orientierung besitzt und sich wenig mit der persönlichen Entwicklung auseinandersetzt, dann ist es durchaus etwas fragwürdig, wie diese Person mit Authentizität für andere etwas bewegen kann.

Natürlich ist der Purpose aber auch nicht die eierlegende Wollmilchsau. Nur weil man seinen Purpose definiert hat heißt das nicht, dass einem alle Entscheidungen spielend leichtfallen. Dennoch, für Wirtschaftsexperten ist es der Schlüssel zur oft angestrebten herausragenden Performance, für Psychologen der Weg zu mehr Zufriedenheit und für Mediziner sogar ein Weg um gesund zu bleiben. Die haben nämlich herausgefunden, dass Menschen, die in Ihrem Leben einen Sinn sehen, seltener krank werden. In einer weniger stabilen und eindeutigen Welt, in der Strategien immer wieder neu definiert werden müssen oder Entscheidungen kaum noch eindeutig als richtig oder falsch identifiziert werden können, ist Purpose eine Schlüsselkompetenz. Eine Schlüsselkompetenz um sich zurechtzufinden und sich trotz Unsicherheit weiterzuentwickeln.

Purpose auf Unternehmensebene

Die Purpose-Debatte ist wie schon angedeutet nicht nur auf persönlicher, sondern auch auf unternehmensweiter Ebene in Schwung gekommen. Die Personalberatung Kienbaum hat 2020 dazu eine interessante Studie auf den Markt gebracht, Titel: „Purpose. Die große Unbekannte“. Purpose wird darin als das Charisma neuer Organisationen, als Antrieb, Richtung und Auftrag und als das fundamentale Ziel der Organisation verstanden: „Purpose bedeute die Daseins- bzw. Existenzberechtigung der Organisation, die sich daraus legitimiert, dass sich die Organisation als Teil der Gesellschaft versteht und über die reine Profitorientierung hinaus Mehrwerte für eine Fülle von Stakeholdern schafft“. Zwei Drittel der in der Studie befragten Führungskräfte, die in einem Unternehmen arbeiten welches ein Purpose Statement formuliert hat, bestätigen eine positive Veränderung der Gesamtperformance ihres Unternehmens. Somit trägt ein gelungener und gelebter Unternehmenspurpose auch zu einem besseren betriebswirtschaftlichen Ergebnis bei.

 In Strategie-, Organisationsentwicklungs- oder Change Projekten, schwingt meiner Erfahrung nach häufig die Frage nach dem größeren Sinn, dem Zweck und den Nutzen mit.  „Was bringt das alles, wofür ist es für uns und für mich gut?“ Die Suche nach dem Purpose ist auch im geschäftlichen Kontext die Suche nach der Identität. Zwar gab und wird es wohl immer auch skeptische Menschen geben, die im Geschäftsumfeld einen Unternehmenspurpose als nicht „relevant“ ansehen oder gar innerlich ihre „Augen verdrehen“, wenn in einem Meeting über Zweck und Bestimmung gesprochen wird. Das liegt aber häufig auch an einer gewissen dysfunktionalen Gruppendynamik. Daran, dass es Einzelne als unangenehm empfinden, sich mit Kollegen über etwas auszutauschen, das außerhalb ihrer persönlichen oder inhaltlichen Komfortzone liegt. Manche Menschen bringen demgegenüber eine natürliche Neigung zur Reflexion und Überlegung mit und können sich auch auf einen entsprechenden Dialog sehr gut einlassen. In beiden Fällen ist entscheidend, dass die Purpose-Suche individuell und nach einem durchdachten Schritt-für-Schritt Konzept verläuft. Einen gemeinsamen Purpose zu definieren, ohne sich seinem individuellen Purpose bewusst zu sein, macht nur bedingt Sinn. Denn nur wenn ich die Schnittmenge zwischen meinem Daseinsgrund, meiner Bestimmung und meinem Zweck mit dem meines Unternehmens abgleichen kann, werde ich erkennen, wie groß die Passung ist. Alles andere bleibt wie schon bei Visions-, Missions- oder Leitbilddebatten ein Kratzen an der Oberfläche. Je größer die Schnittmenge zwischen individuellem und gemeinsamen Purpose, desto besser.

Ehrlichkeit darüber, warum Unternehmen einen Purpose entwickeln, ist entscheidend

Bernhard Simon, der ehemaliger CEO des Logistikunternehmens Dachser und heute Mitglied des hiesigen Aufsichtsrates, bezeichnete im Handelsblatt die unternehmensweite Suche nach dem Sinn und Zweck als aufgesetzt. Er kritisierte, dass viele Unternehmen damit schlicht dem aktuellen Zeitgeist folgen oder sie beispielsweise für die junge Generation als Arbeitgeber attraktiv bleiben möchten oder neue Zielgruppen für ihre Waren und Dienstleistungen gewinnen möchten. Purpose als Mittel zum Zweck also, um nach außen hin zu glänzen und seinen Umsatz zu steigern. Nicht zu Unrecht verweist er auf Götz Werner, dem Gründer der Drogeriekette DM, der bereits lange bevor Purpose populär wurde, eine Firmenkultur etablierte, die auf Werten wie Verständnis, Menschlichkeit und Respekt basiert.

Ehrlichkeit darüber, warum Unternehmen einen Purpose entwickeln, ist daher unumgänglich. Nur um die finanzielle Performance verbessern zu wollen oder die Nachhaltigkeitstexte auf der Website zu frisieren, wird wenige Mitarbeiter motivieren, an einem Unternehmenszweck mitzuarbeiten oder ihn mitzutragen. Grundvoraussetzung ist es also, sich klar zu werden, warum ein Purpose für ein Unternehmen entwickelt werden soll.

Nur weil es gerade in Mode ist, sollte weder ein Unternehmen, keine Führungskraft und auch Du nicht an einem Purpose-Statement arbeiten. Aber Du solltest Dir die Fragen stellen, was Dich persönlich antreibt und was Du erleben möchtest. Was Du mit Deinen Kollegen, Deinem Team und für Dein Unternehmen erreichen willst. Wenn Du Dir eine dieser Fragen zumindest ab und an stellst, empfehle ich Dir, Dich mit dem Thema Purpose zu beschäftigen. Unabhängig davon, ob es gerade en vogue ist oder ob Du das Wort Purpose gut oder strapaziös findest.

 

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Zwischen Management und Leadership zu unterscheiden ist zu kurz gegriffen